Literatur
„Also doch: Imam Tarek – und was ist das für’ne Scheiß-Schürze? Ne Imam-Schlachter-Kutte? – Zum Ziegen-Totmachen?“
Nahm die Flasche von ihm an, roch dran, es war Korn oder so ’was. Trank einen ordentlichen Schluck.
„Näh – das hier ist ‘ne Schürze aus’m Schlachthof. Hab’ ich gestern von jemandem ausgeliehen gekriegt, das Teil. Von Dumitru. Rumäne. Philosoph und Musiker. 25 Jahre. Arbeitet tagsüber im Schlachthof.“
„Wahnsinn!“
„Wenn schon, denn schon! – So bin ich ’n würdiger Assistent für den Schlächter – in der Kutte des Bösen – oder?“
„Hardcore“, ich nickte unter der Mütze.
Tarek trank wieder ein bisschen gab mir das Ding zurück, ich schluckte auch noch was ’runter und er stellte den Flachmann hinter sich auf den schwarzen Flügel.
„Also mach’ endlich deinen Kopfstand!! – Nazi-Sack!! – Dein blutiger Assistent besorgt die Musik dazu!“
Legte die SS-Mütze ab auf den Tisch, nahm die Musikkassette aus der Tasche meines Anoraks, der da lag, gab sie Tarek und rollte die graue Windjacke zu einem kleinen Kissen.
Machte Kopfstand.
Musik ertönte.
Aber das war nicht meine Kassette mit englischem Punk-Rock.
Versuchte, Richtung Musik zu sehen, verlor dabei die Kontrolle über meinen Kopfstand, kippte um, schlug lang hin und haute mir das Schienbein an einem Fuß des Flügels an. Eijaaua! Hah! Saß auf dem Boden und rieb mir das Schienbein, „Was’n das für Musik?“
199 nummerierte und handsignierte Exemplare
(im Vertrieb der Edition Virgines)
1995: Das Thema „50 Jahre Kriegsende“ ist in
allen Medien präsent. Ein 19-Jähriger in der Stadt D.
ist angesichts der Flut von Informationen und Kommentaren mehr irritiert als interessiert.
In der Folge von zufälligen – oder schicksalhaften –
Anstößen ändert er seine Haltung und stürzt sich in
eine hoch intensive und persönliche Auseinandersetzung mit der Zeit vor 1945 in seiner Stadt.
2018: Als kurze Fortsetzung zeichnet eine der
Figuren in einer Reihe von temperamentvollen E-Mails
das politische Panorama eines turbulenten
Vierteljahres, mit Bezug zu den Ereignissen von1995.
Der Protagonist Janni, ein Düsseldorfer Gymnasiast, ist im Jahr 1995 verwickelt in wahrhaftig wirkende innere Kämpfe und Suchvorgänge zu historisch belegten Tatsachen über die NS-Zeit in seiner Heimatstadt, die auch seine Familie betreffen. Sie führen ihn in eine andere Weltsicht und dienen damit seiner Selbstfindung. Der Roman ist angereichert mit viel anschaulichem und die Glaubwürdigkeit von Jannis Bemühen unterstreichendem Lokalkolorit sowie seinem Jugendalter entsprechenden pittoresken Szenen aus Schule, Freundschaft und Liebesversuchen. Seine Zweifel, dargestellt in inneren Monologen und teils extremen Selbstversuchen, werden besonders eindrücklich geschildert.
Auch die jugendlichen Freundinnen und Freunde von Janni werden in ihren Handlungen, Diskursen, Konflikten und Reflexionen, bezogen auf das wichtige Thema des persönlichen Umgangs mit der auch am damaligen Jugoslawienkrieg gespiegelten NS-Vergangenheit sowie mit Blick auf weitere gesellschaftlich prekäre Themen, in zahlreichen anschaulichen und authentisch jugendsprachlich formulierten Monologen und Diskursen geschildert. Insofern gelingt dem Autor ein originäres erzählerisches Werk mit glaubwürdigen Protagonisten und deren persönlichen und in den Herkunftsfamilien oder -ländern angelegten Verstrickungen in die jüngste - nicht nur deutsche - Vergangenheit und Gegenwart.
Endlich ein neues Düsseldorf-Buch mit erzählerischer Kraft!